Flucht unter Tage

Was auf den ersten Blick ein wenig an die Romane von Jules Vernes erinnern mag, war ein konspirativer Treff unter Tage mit anderen Piraten. Wir sprechen im Bergwerksstollen und Bunker über sichere Kommunikation in Zeiten der Überwachung und Attacken auf den freien Journalismus.

Wir wählen Orte danach aus, ob sie abhörsicher sind. Vielleicht müssen wir uns künftig mit Journalisten und Freunden an solchen Orten treffen, wenn wir uns noch frei unterhalten wollen.

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Abhörsicherer Bunker bei Ostbevern

Die Orte mögen außergewöhnlich sein – die Botschaft dafür ist klar: Die Zahl der Orte, an denen man sich frei von Überwachung begegnen kann, sinken mit der Zunahme technischer Überwachungsmöglichkeiten. Das macht es nicht nur für Whistleblower schwieriger, die Öffentlichkeit über Missstände aufzuklären.

Es erschwert auch die Arbeit von Journalisten. Letztlich ist der Mangel an Vertrauen, den die westlichen Demokratien ihren eigenen Bürgern gegenüber an den Tag legen eine größere Gefahr für unser aller Freiheit, als es der internationale Terrorismus jemals sein könnte, mit dem diese Maßnahmen gerechtfertigt werden.

In einer Reihe von Interviews, mal in der Zeche Nordstern in Gelsenkirchen, in Bochum im Bergbaumuseum oder in einem alten Bunker in einem stillgelegten Munitionsdepot in Ostbevern sprechen wir deshalb gemeinsam mit Journalisten über das Thema Überwachung. Wir sind gut gerüstet, um auf die Gefahren des „schlüsselfertigen Überwachungsstaates“ aufmerksam zu machen.

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Die Aktion auf Zeche Nordstern in Gelsenkirchen

Vieles klingt selbst in meinen eigenen Ohren noch immer nach Science-Fiction. Aber es ist leider wirklich so einfach, Profile von Menschen zu erstellen, deren normales Verhalten plötzlich den Stempel „auffällig“ bekommt. Immer wieder ziehen wir in den geführten Interviews den Vergleich zur atomaren Strahlung, die man zunächst auch nicht bemerkt.

Diese Metapher verdeutlicht es für viele am besten. Denn die Spätfolgen sind ähnlich katastrophal. Vor diesem Hintergrund fordern wir eine digitale Abrüstungskontrolle. Denn keine Regierung der Welt sollte über derartige Überwachungsinstrumente verfügen.

Denn was dann passiert, hat die ARD in diesem Beitrag schon mal untersucht: Das Spionage-Experiment!

„… und um ehrlich zu sein: Wir wissen sogar, was sie drunter trägt.“

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Brieftauben und Pizzakartons

Neun Stunden! So lange wird David Miranda von britischen Beamten bei der Einreise in Heathrow festgehalten. Denn er ist der Ehemann des britischen Enthüllungsjournalisten Glenn Greenwald. Greenwald wiederum kooperiert intensiv mit Edward Snowden, jenem Whistleblower der den Überwachungsskandal enthüllte. Und Greenwald ist im Besitz von dessen kompletten Unterlagen.

Schikane-Drangsalierung-Sippenhaft

Unterdessen zwingen Agenten des britischen Geheimdienstes GCHQ die kritischste und bekannteste Zeitung des Landes, den Guardian, einen Laptop zu zerschmettern. Auf diesem ist eine Kopie der Dokumente gespeichert und Attackiert damit den freien Journalismus „in seiner Substanz“, wie Süddeutsche-Redakteur Stefan Plöchinger in seinem wütenden Kommentar es ausdrückt.

Danke Herr Plöchinger für die offenen Worte!

Gestatten Sie mir jedoch, noch ein paar Schritte weiter zu gehen, als Sie das aus ihrer Position heraus nachvollziehbarerweise können oder wollen.

Für uns Piraten sind die obigen Ereignisse nicht erst der letzte Tropfen, der das Fass heute, am 20. August 2013 zum Überlaufen brachte.

Darauf könnte man – hierzulande – allenfalls vielleicht die „Zensursula“-Nummer reduzieren. Zensursula Remix

Der endgültige Dammbruch erfolgte, damals teilweise von vielen unbemerkt, gegen Ende 2001: Als der „Kampf gegen den Terror“ begann. Aber im Grunde war damals der Damm auch schon längst gebrochen. Das symbolische Fass aus der volkstümlichen Metapher längst hinweg gespült von einer breiten Flut, die demokratische Landschaften überschwemmte. Es mag erst heute in Erscheinung treten, dass auch die Pressefreiheit unter die Räder geraten ist in den ehemaligen Vorzeige-Demokratien des Westens. Pressefreiheit 2013 – von „moralischer Überlegenheit“ war schon damals nicht mehr viel übrig.

Wir befinden uns heute in einer Situation, wo die USA und ihre Helfershelfer in Großbritannien ganz offen JEDEN Ausländer als Terrorverdächtigen brandmarken – auch jeden einzelnen deutschen Bundesbürger, soweit er im Besitz eines Telefons ist oder das Internet nutzt. Da hat man seine Grundrechte verwirkt, da darf man rund um die Uhr durchleuchtet und bespitzelt werden. Es klingt nach Science-Fiction: Doch mit dem eigenen Smartphone, dessen Mikro und Kamera sich unbemerkt per Fernsteuerung einschalten lassen, werden wir überwacht. Damit ein gesichtsloser „Operative“ -einer von Zehntausenden – auf der anderen Seite der Welt vielleicht Monate oder Jahre später die automatisch verschlagwortete Aufzeichnung bei irgend einer Rasterfahndung noch mal aus der Datenbank fischt. Damit dieser zusammen mit modernster Software uns Kategorien zuordnet und die Entscheidung fällt, wer den Stempel „auffälliges Verhalten“ bekommt und wer nicht.

Es ist unter Experten auch unstrittig, dass über dem Atlantik ein geschmeidiger Datenaustausch läuft. Einer, bei dem unsere NSU-Aktenschredderer vom BND, munter mitmischen und jederzeit mühelos in der Lage sind, deutsche Datenschutzgesetze auszuhebeln. Man muss da nicht mehr selbst spitzeln. Man fragt einfach die gewünschten Informationen in Übersee ab – Outsourcing sozusagen!

Pressefreiheit 2013: Es ist noch so leise…Ich höre noch keinen Aufschrei. Vor dem Hintergrund müssen bitteschön bei JEDEM Journalisten aber GANZ laut sämtliche Alarmglocken schrillen.

Was glauben Sie denn, wer sich da noch traut, irgendwelche vertraulichen Informationen an Sie, die freie Presse, heranzutragen, die womöglich irgendwelchen Mächtigen in Regierungskreisen schaden könnten?

Und wie soll der das überhaupt machen? Unbemerkt, um sich vor diesem möglichen Maß an Überwachung zu schützen? Stehen wir vor einer Renaissance der Brieftaube?

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Wundern Sie sich nicht, wenn Sie demnächst öfter mal unverlangt nicht bestellte Pizzen auf den Redaktionstisch gestellt bekommen, in deren Karton jemand eine Einladung gekritzelt hat – zu vertraulichen Gesprächen tief unter Tage!

Im übrigen gilt:

Sämtliche etablierten Altparteien, die seit der Wende schon mal in einer Bundesregierung saßen, sind Mitwisser! SPD und Grüne, CDU, CSU und FDP haben in dieser Hinsicht Dreck am Stecken. Sie haben mitgemacht, sie haben keine Transparenz hergestellt. Sie haben Schuld auf sich geladen und empören sich erst jetzt, wo es schick ist! Wie bei allen Themen: Immer erst, wenn der öffentliche Druck anfängt zu wachsen.

Wir Piraten sind die einzigen, die schon gegen Überwachung waren, bevor es cool war. Und darum gibt es für jeden Wähler, der diese unheilvolle Entwicklung stoppen will, am 22. September nur eine einzige glaubwürdige Alternative:

Piraten!

Grüne Tomaten

Zehn Jahre, nachdem uns Rot-Grün unter Kanzler Gerhard Schröder die Agenda 2010 präsentierte und acht Jahre nach Einführung von „Hartz 4“ sind die verheerenden gesellschaftlichen Folgen der „Un-Sozialpolitik“ von SPD und Grüne unübersehbar geworden.

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Vor zehn Jahren hat das Spitzenpersonal von den Grünen die Reform noch als „pfiffige Idee“ bezeichnet. Dabei wurde durch die Arbeitsmarktreformen dem Lohndumping Tür und Tor geöffnet. Rückblickend kann man die hinter den Reformen stehende Idee nur noch als perfide bezeichnen. Ein „Mehr an sozialer Gerechtigkeit“, wie damals Vizekanzler Fischer behauptet hat, kann ich jedenfalls nicht erkennen, wenn immer mehr Menschen auf der Suche nach Leergut durch die Stadt gehen, um sich auch nur die nächste Mahlzeit zu sichern.

Es stünde der Politik gut an, das Scheitern der Agenda 2010 endlich einzugestehen und ihr noch vor der Wahl den Rücken zu kehren. DAS wäre ehrliche Politik und auch eine ehrliche Wahl! Nur ist davon leider nichts zu sehen. Dafür sehe ich immer mehr prekäre Beschäftigungsverhältnisse und mangelhafte soziale Sicherung mit verheerenden Folgen für die künftige Generation, während sich gewisse Arbeitgeber an Aufstockern und Minijobbern gesund stoßen und dabei für ihre Ausbeutung auch noch staatlich subventioniert werden.

Anstatt sich den wichtigen sozialpolitischen Fragen zu widmen, hat die Opposition aktuell nichts Wichtigeres zu tun, die Einführung eines Veggiedays auf die Agenda zu setzen. Sie hüpft damit weiter von Thema zu Thema und lenkt damit bewusst von den wichtigen Problemen ab. Als gäbe es mit HartzIV und den Geheimdienst-Skandalen keine drängenderen Probleme in diesem Land!